Nachhaltigkeit ist das Thema unserer Zeit. Die Dringlichkeit, besonnen zu handeln und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, ist inzwischen exponentiell gestiegen. Mit der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ werden alle Länder verpflichtet, ihren Beitrag für unsere Zukunft zu leisten. Da Polymere die bedeutendste Werkstoffgruppe bilden, liegt der Fokus unseres Beitrags auf den nachhaltigen Kunststoffen und dem Potenzial, das in ihnen steckt. Man kann sagen, „Kunststoffe“ an sich sind bereits nachhaltige Materialien. Fakt ist: Sie sind und bleiben eine Schlüsseltechnologie.

Der Status quo der nachhaltigen Kunststoffe

Nachhaltige Polymere bauen auf dieser seit Jahrzehnten erfolgreich praktizierten Materialentwicklung und -optimierung auf. Es ist festzustellen, dass nachhaltige Kunststoffe oder sogenannte Biokunststoffe die konventionellen Lösungen mit adäquaten mechanischen Eigenschaften bereits in vielen Branchen ablösen können. Kommen extreme Temperatur- oder Chemikalieneinflüsse zum Tragen, stoßen die umweltorientiert hergestellten Varianten an Grenzen – noch. Die nächste Generation der Biokunststoffe wird jedoch nicht lange auf sich warten lassen.

Betrachten wir zunächst die wesentlichen Konstellationen im Segment „Nachhaltige Kunststoffe“. Der Überblick der European Bioplastics weist folgende Gruppen aus:

1. Biologisch abbaubar und biobasiert: Zu den Polymeren dieser Kategorie zählen sogenannte Stärkeblends und Polyester, die auf thermoplastisch modifizierter Stärke und Polymilchsäure beruhen können. Sie finden zumeist als Verpackungen Anwendung.

2. Biologisch abbaubar und fossilen Ursprungs: Diese in ihrer Anzahl überschaubaren Vertreter werden oft in Kombination mit Stärke und anderen Biokunststoffen verwendet, um eine Verbesserung der geforderten mechanischen Eigenschaften zu erreichen.

3. Biobasierte Polyolefine und PET: Die häufig zum Einsatz kommenden Kunststoffe PE, PP und PVC können aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, z. B. aus Bioethanol. Es wird bei diesen klassischen Werkstoffen auch von „drop-in-Biokunststoffen“ gesprochen, da die Wertschöpfungsketten nur zum Teil angepasst werden müssen. Der Zeitraum für die Entwicklung und Einführung dieser den konventionellen Polymeren sehr nahen Gruppe ist verhältnismäßig kurz.

4. Biobasierte technische Kunststoffe – bilden einen recht großen Anteil, der sich aus speziellen Polymeren zusammensetzt. Dazu zählen unter anderem Polyamide, Polyester, Polyurethane.
Typische Anwendungen sind:

  • textile Fasern, Schaumstoffe,
  • Gehäuseteile, Überzüge,
  • Leitungen, Schläuche,
  • konstruktive Elemente.

Ein Unterscheidungsmerkmal der vierten Gruppe zu den anderen ist darin zu sehen, dass aus diesen biobasierten nachhaltigen Werkstoffen Erzeugnisse hergestellt werden, die über Jahre im Gebrauch sein sollen. Die hier explizit gewünschte Langlebigkeit steht einer biologischen Abbaubarkeit eher entgegen.

Kunststoffe sind die wichtigsten Werkstoffe unserer Zeit

In unterschiedlichsten Branchen dominieren speziell ausgelegte Kunststoffsorten, Hightech-Kunststoffe und Kunststoffverbünde die Herstellung von Produkten, Komponenten und Bauteilen. Im Vergleich zu anderen Materialien verfügen sie über bessere Eigenschaften und zusätzliche Funktionen. Sie bieten viele Vorteile, deren Optimierung durch Forscher, Zulieferer und Hersteller weiter vorangetrieben wird. Ein paar Fakten:

  • Kunststoffe sind effizienter herzustellen als z. B. Metall, Stahl oder Glas.
  • Der Einsatz von Additiven bei der Kunststoffproduktion sorgt für erhebliche Energie- und Materialeinsparungen.
  • Kunststoffe sind ein wichtiges Instrument, um Leichtbau-Konstruktionen realisieren zu können, die z. B. zur Einsparung von Kraftstoffen oder elektrischer Energie führen (Automotive).
  • Die Möglichkeit, mit Kunststoff besonders filigrane Bauteile und Produkte herstellen zu können, erzielt einen geringeren Bedarf an Lagerflächen und weniger Gewicht, das es zu transportieren gilt.
  • Erhebliche Materialeinsparungen bei Verpackungen zeigen ähnliche Effekte.

Diese Ausführungen hegen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Denn die Ansätze der Nachhaltigkeit und der Umgang mit knapper werdenden Ressourcen können aus sehr vielen Richtungen gedacht werden. Neu entwickelte Maschinen tragen neben anderen Maßnahmen dazu bei, indem Prozesse optimiert sowie Materialverluste und Energieverbräuche reduziert werden.

Biopolymere sind nicht pauschal frei von Widersprüchen

Bei aller Euphorie im Sinne des Klimaschutzes und der Umweltverträglichkeit, muss den Tatsachen ins Auge gesehen werden, die das Image der nachhaltigen Kunststoffe etwas trüben könnten. Allein die Kombination aus biobasiert und biologisch abbaubar kann mitunter für Verwirrung sorgen. Alternative Kunststoffe, die manche als Bioplastik bezeichnen, sind nicht automatisch nachhaltig, sobald der gesamte Entstehungs- und Entsorgungsprozess betrachtet wird.

Grundsätzlich besteht die Notwendigkeit, die Recyclingquote von Bioplastiktüten und anderen biologisch abbaubaren Produkten deutlich zu erhöhen. Ein zu großer Anteil landet derzeit noch in der konventionellen Entsorgung. Die Sensibilisierung der Käuferschaft muss parallel vorangetrieben werden. Denn es ist anzunehmen, dass Produkte aus Biopolymeren eine gewisse Gedankenlosigkeit hervorrufen, und infolgedessen Plastikbeutel nach wie vor häufig genutzt und dann weggeworfen werden.

Einen Überblick über den Umgang mit Biokunststoffen und deren Entsorgung bieten die FAQs vom Umweltbundesamt.

Alles bio? Eine möglichst geschlossene Kreislaufwirtschaft muss her, um Kunststoffe nachhaltiger zu gestalten

Festzustellen ist, dass der biobasierte Anteil der „grünen“ Kunststoffe je nach Lesart auf unterschiedliche Weise ausgewiesen wird, entweder

  • prozentual bezogen auf den Kohlenstoffgehalt insgesamt
  • oder gemessen an dem Gewichtsanteil der enthaltenen Biomasse.

Die Orientierung zu mehr Umsicht und zum strategisch eingeplanten Schutz unserer Ressourcen nutzen viele Hersteller, um für die eigene Marke Sympathien zu gewinnen. Ein Beispiel: Bei einer PET-Flasche von Coca-Cola liegt der kommunizierte biobasierte Kohlenstoffanteil bei bis zu 22,5 %.

Mit dem Ruf nach mehr Nachhaltigkeit von Kunststoffen sieht sich die Industrie aufgefordert zu handeln. Zum einen, um konkurrenzfähig zu bleiben, und zum anderen, um den steigenden Umweltauflagen gerecht zu werden. Der lange anhaltende Boom der vollsynthetischen Kunststoffe ist damit voraussichtlich gebrochen. Die Kunststoffhersteller setzen schon seit einiger Zeit auf den Einsatz von natürlichen Stoffen. Mehr noch: Werkstoffe und neue Materialien sollen möglichst so ausgelegt sein, dass sie nach ihrer Nutzungsphase wiederverwendet werden können.

Zur Gruppe der nachhaltigen Kunststoffe zählen auch die sogenannten Rezyklate. Sie werden nach ihrer Verwendung zu neuem Kunststoffgranulat verarbeitet. Das erklärte Ziel für diese Kunststoffkategorie ist es, eine sortenreine Trennung möglich zu machen. Mit den bereits erwähnten PET-Produkten funktioniert der Ansatz der geschlossenen Kreislaufwirtschaft schon recht gut, allerdings nicht zu 100 %. Die damit „neu“ gewonnenen Rohstoffe werden zum Beispiel bei der Herstellung von Getränkekisten und als Beimischung zu Straßenbelägen verwendet.

Vom Ideal der Kreislaufwirtschaft sind wir einige Schritte entfernt. Nichtsdestotrotz gibt es in vielen Branchen beachtliche Entwicklungen und Neuerungen, die sich die Aufgabe zu eigen gemacht haben, nachhaltige Kunststoffe zu etablieren.

Nachhaltigkeit ist jetzt

Der Gruppe der nachhaltigen Kunststoffe, die aus natürlichen Rohstoffen erzeugt werden, fällt eine besondere Aufmerksamkeit zu. Sie vermitteln den Verbrauchern und Verbraucherinnen das Gefühl, etwas für die Transformation in eine moderne Produktwelt zu tun.

Ein Beispiel für ein wiederverwertbares und darüber hinaus langlebiges Produkt ist Acrylglas, das unter dem Markennamen Plexiglas bekannt ist. Bauteile und Konstruktionen aus dem Werkstoff Polymethylmethacrylat (PMMA) sind in der Regel langlebig und können später in die Verwertung gegeben werden. Das ist also alles andere als Sondermüll.

Ein ähnlicher Weg wird damit beschritten, den grundsätzlichen Fokus auf langlebige Produkte aus biobasierten Kunststoffen zu legen, z. B. für Kleidung, Möbel, Spielzeug. Auf diese Weise wird es möglich, große Mengen an Kohlenstoffdioxid zu speichern. Die sogenannte CO2-Sequestrierung, die ursprünglich auf die Einlagerung über einen Zeitraum von 100 Jahren in Wäldern ausgelegt war, könnte auf aktuelle Belange angepasst werden.

Als ein prominentes Musterbeispiel zum Thema nachhaltige Polymere kann ein Projekt von Volvo Cars herangezogen werden. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, ab 2025 bei Neuwagen mindestens 25 % an Kunststoffen aus recyceltem Material einzusetzen. Eine bereits vorgestellte, speziell aufgebaute Fahrzeugversion veranschaulicht diese Bestrebungen.

Die in der Elektro- und Automobilindustrie oft verwendeten Folien aus Polycarbonat können heute zu über 50 % aus pflanzlicher Biomasse bestehen. Sie weisen sogar eine verbesserte Chemikalienbeständigkeit und erhöhte Abriebfestigkeit auf. Leistungsfähige Polyamid-Compounds, die auf Rezyklaten basieren, und Kunststoffe mit Glasfaserverstärkungen, die aus Glasabfällen erzeugt werden, sind weitere Produktneuheiten, die die Initiativen der Hersteller dokumentieren.

Der TÜV Austria bestätigte mit dem Siegel „OK biodegradable“ den PVA-Materialien eines Herstellers, dass seine nachhaltigen Kunststoffe wasserlöslich sind und sich in Frischwasser vollständig abbauen.

Werkstoffoptimierung ist Nachhaltigkeit einer anderen Dimension

Kunststoffe sind seit Jahrzehnten erfolgreich im Gebrauch, da sie nahezu unschlagbare Argumente mitbringen, zumindest im Vergleich zu Metallen, Stahl und anderen Materialien. Bei ihrer Herstellung lassen sich anhand verschiedener Stellschrauben verschiedene Merkmale und Eigenschaften realisieren, die auf die jeweilige Branche explizit zugeschnitten sind.

Die Einbringung von Zusätzen und Additiven ermöglicht es beispielsweise, die mechanischen und thermischen Attribute signifikant zu verbessern, z. B.:

  • Die Druckfestigkeit eines Rohrs von 140 bar auf über 200 bar erhöhen.
  • Die Festigkeit eines Filters deutlich steigern, bei gleichzeitiger Reduzierung des Materialbedarfs um 50 %.
  • Profile zu erzeugen, die bis zu 30 % fester sind, und eine höhere thermische Beständigkeit aufweisen.

Die genannten Produktionen haben eines gemeinsam: Die Additive wurden in sehr geringen Mengen zugeführt. Mit der Nutzung der Nanotechnologie, dem Einsatz nanoskaliger Stoffe sind diese Optimierungen möglich, ohne Fertigungsprozesse zu stören bzw. diese komplizierter werden zu lassen. Sogenannte funktionale Additive oder Nanocomposites sind gebrauchsfertig und können problemlos in die Herstellung nachhaltiger Kunststoffe eingebracht werden.

Ziel mit Zukunft: Spezialist für nachhaltige Werkstoffe werden

Viele Faktoren und Einflüsse machen am Ende die reale Nachhaltigkeit aus – in Bezug auf ein Endprodukt , dessen Entstehung und späterer Verwertung. Neue Materialien, die Erforschung natürlicher oder recycelter Rohstoffe einhergehend mit modernen Verfahren, werden die Richtung vorgeben. Der Stand der Entwicklungen liegt zum Teil noch am Anfang, andere Neuheiten haben es bereits zur Marktreife gebracht.

Aus Metallschrott per Bioleaching erschlossenes Wolfram fungiert in Additiv-Form als effektiver Eigenschaftsverbesserer für Kunststoffe. In Zukunft könnten Zitronensäureester übliche Weichmacher in der Kunststoffproduktion ersetzen. An nachhaltigen Kunststoffen geht kein Innovationsweg vorbei.

Jedes Engagement sollte dabei im Blick behalten, dass wir die Zeitenwende schaffen müssen, um auch den folgenden Generationen eine lebenswerte Welt bieten zu können. Der Fortschritt und die Etablierung innovativer Technologien werden wichtige Pfeiler sein.

Wir sind uns sicher: Im Medizinbereich, im Segment „autonomes Fahren“ und in zahlreichen anderen Branchen liegt großes Potenzial für neue und darüber hinaus funktionalisierte nachhaltige Kunststoffe. Das Bundesumweltamt fasst seinen Standpunkt zu den Biokunststoffen mit starken Vorteilen für recycelfähige faserverstärkte Kunststoffe und Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoffe zusammen. Ob Hochleistungskunststoffe oder nachhaltige Kunststoffe bzw. Biopolymere: Jeder nachhaltige Ansatz hat seine Berechtigung und leistet einen wichtigen Beitrag.

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