Bei der Entwicklung neuer Materialien hat sich der Mensch schon immer an der Pflanzen- und Tierwelt orientiert – an den beeindruckenden Eigenschaften und Fähigkeiten, die es dort zu entdecken gibt. Zum Beispiel folgen Faserverbundwerkstoffe Prinzipien, die uns in der Natur staunen lassen. Die Vereinigung einer Matrix mit anforderungsgerechten „Verstärkungsstoffen“ bringt feste und gleichzeitig belastbare Konstruktionen hervor. Im Leichtbau und auf vielen anderen Gebieten machen wir uns dieses Wissen zunutze. Neuen Materialien fällt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Zunächst ein Überblick: neue Materialien

Eine Herausforderung der Materialwissenschaft ist es, in immer neue Richtungen zu denken. Aktuelle Erkenntnisse, hinzugekommene Anforderungen und zukunftsträchtige Technologien fordern Produkten und Komponenten nie dagewesene Merkmale ab. Unsere Auswahl soll Ihnen einen Eindruck der teilweise sehr unterschiedlichen Ansätze vermitteln. Zur Kategorie „neue Materialien“ zählen u. a.:

  • ultradünnes, biegsames Glas für die Mikroelektronik,
  • neue Kohlenstoffmaterialien für Batterien (z. B. Kohlenstoff-Nanomaterialien),
  • ultraleichte Verbundwerkstoffe bzw. Multimaterial-Leichtbau,
  • elektrisch leitfähige Kunststoffe,
  • „smart concretes“ und „smart materials“ für das Bauwesen.

Darüber hinaus werden in den Fachmedien Materialinnovationen besprochen, die mehrere Eigenschaften in sich vereinen oder auf äußere Einflüsse reagieren:

  • Magnetisch steuerbare Flüssigkeiten, deren Fließverhalten von dünnflüssig bis fest verändert werden kann.
  • Kunststoffe, die sich selbst reparieren, indem per integrierter Flüssigkeit und einer darauffolgenden Gelverfestigung Löcher geschlossen werden können.
  • Die bereits bekannten Piezokeramiken, die auf Druck oder Spannung reagieren, werden für neue Anwendungen gesehen, z. B. für intelligente Zahnimplantate oder die Überwachung von Bauwerken.

Welcher Forschungsansatz zum Ziel führen wird, bleibt abzuwarten. In der Gegenwart angekommen sind bereits einige Alternativen für konventionelle Werkstoffe und Materialien. Wir kennen sie aus unserem Alltag: Zahnbürsten aus Bambus, Kautschuk aus Löwenzahn in Fahrradreifen, Kleidung aus recycelter Baumwolle, nachhaltige Produktverpackungen, die entweder wiederverwertbar oder biologisch abbaubar sind.

Hohe Funktionalität mit Nachhaltigkeit vereinbaren

Es ist hinlänglich bekannt, dass technologische Neuerungen eng mit der Entwicklung neuer Materialien verbunden sind. Das eine geht ohne das andere nicht voran. Bei der Planung und Erforschung zukunftsorientierter Produkte sind mindestens drei Einflussfaktoren in Einklang zu bringen:

  • Zielsetzung und Design,
  • Herstellungsprozess,
  • Werkstoff bzw. Material.

Materialinnovationen sind für heutige und in der Zukunft noch anspruchsvoller werdende Entwicklungen essenziell. Besonders für die Mobilität, in der Luft- und Raumfahrt, Elektronik, Medizin und im Bauwesen gilt es, für stetig wachsende Ansprüche adäquate Lösungen zu finden. Des Weiteren sind Themen wie Nachhaltigkeit, Langlebigkeit, Umweltverträglichkeit sowie Recyclefähigkeit für Produktentwicklungen von großer Bedeutung. Der Lebenszyklus und spätere Rücklauf in andere Fertigungskreisläufe von Bauteilen und Komponenten wird bei ihrer Konzeption mit betrachtet. Das Motto „Augen zu und durch“ hat definitiv ausgedient.

Vielmehr ist die Materialwissenschaft dazu aufgefordert, die durchaus differierenden Gesichtspunkte zu vereinen. Ziel ist es, Werkstoffe und Baugruppen mit neuen, zukunftsfähigen Eigenschaften zu realisieren und zur Marktreife zu führen. So fördert beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit Jahren „Neue Werkstoffe und Materialien“ für verschiedene Bereiche:

  • Mobilität,
  • Leichtbau,
  • Gesundheit,
  • Bauen und Wohnen,
  • Umwelt und Nachhaltigkeit.

Dies ist ein eindeutiges Signal, das das Bestreben untermauert, unsere ökologischen Fußabdrücke und die Ausbeutung von Ressourcen nicht ausufern zu lassen. Damit einher geht die Zielsetzung, Produkte und Lösungen so zu optimieren, dass die Menschen davon profitieren.

Die Behandlung von Krebs mit Nanopartikeln und der Einsatz von optimierten Batterien in der E-Mobilität sollen hier stellvertretend für viele andere Neuerungen genannt sein.

Auf zahlreichen unterschiedlichen Gebieten wird nach innovativen Produkten, Halbfabrikaten oder Bauteilen gesucht. Für die Erforschung von Graphen, das als „Wundermaterial“ die Chip-Herstellung revolutionieren könnte, wurde bereits ein Nobelpreis vergeben.

Neue Denkweisen – neue Materialien aus Kunststoff

Wir haben beleuchtet, dass sich die Anforderungen an moderne Werkstoffe verlagert haben.

Neben den gewünschten neuen Eigenschaften der Erzeugnisse nimmt die Forderung nach Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu. Mehr denn je wird die Frage aufgeworfen, was mit den Produkten geschieht, wenn sie nicht mehr benötigt werden oder ersetzt werden müssen. Vor dem Hintergrund von Konsum und Umwelt hängen der Erfolg bei den Verbrauchern und die Wettbewerbsfähigkeit unmittelbar damit zusammen, ob

  • die neuen Materialien nachhaltig produziert werden
  • und biologisch abbaubar oder recycelbar sind.

Beispiel Biopolymere

Blickt man in die Anfänge der Kunststoffentwicklung zurück, ist festzustellen, dass die ersten Kunststoffe auf natürlichen Materialien basierten. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der erste vollständig synthetische Kunststoff erfunden. Das industriell produzierte „Bakelit“ wurde als Isolator verwendet, war langlebig und hitzebeständig.

Im Laufe des 21. Jahrhunderts brachte die Materialwissenschaft noch viele neue Kunststoffe hervor, die wir bis heute kennen und in weiterentwickelter Form nutzen. Mit der Etablierung der Biopolymere geht der Ansatz zu den natürlichen Ausgangsstoffen zurück. Wobei zu unterschieden ist zwischen:

  • Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen (sie basieren auf Flachs, Zuckerrohr oder Zuckerrüben),
  • Biopolymeren, die biologisch abbaubar sind,
  • und erdölbasierten Kunststoffen, die ebenso biologisch abbaubar sein können.

Den höchsten Anteil an Biopolymeren auf dem Markt machen derzeit die Polylactide (PLA) aus, die in erster Linie bei der Herstellung von Verpackungen zum Einsatz kommen.

Wie so oft ist es eine Kostenfrage, ob eine neue Materialinnovation oder ein neues Produkt zur Marktreife geführt werden kann. Momentan greift die kunststoffverarbeitende Industrie größtenteils auf den bewährten und vergleichsweise günstigen Rohstoff Erdöl zurück. Parallel wird die Initiative, erdölbasierte Herstellungsmethoden auf lange Sicht abzulösen, in der Forschung vorangetrieben.

Nanopartikel zählen zur Gruppe „Neue Materialien“

Die folgende Auswahl macht deutlich: Nanoadditive, z. B. auf Metallbasis, tragen einen bedeutenden Anteil zu neuen Materialien bei:

  • Größenverhältnisse, Materialklassen und strukturelle Formationen nanoskaliger Partikel offenbaren zahlreiche neue Möglichkeiten für deren Anwendung. Ein Beispiel: Die Funktionalisierung von Nanopartikeln in der Krebstherapie. Die winzigen Teilchen können gezielt an Krebszellen angelagert werden.
  • Auf der Grundlage der Erkenntnis, dass die kleinsten Einheiten eines Stoffes andere Eigenschaften besitzen als die größeren, wird an verschiedensten Ansätzen geforscht. Unter anderem konnte festgestellt werden, dass Goldpartikel im Nanobereich ihre Farbe von Gelb zu Rot verändern.
  • Vielversprechende Ideen findet sich zudem im Bauwesen. Unser Bedarf an Beton liegt im Milliarden-Kubikmeter-Bereich. Nanooptimierte Werkstoffe können innovative Verarbeitungs- und Montagetechniken realisieren, die zu deutlichen Energie- und Materialeinsparungen führen.
  • Unter dem Begriff „smart materials“ lassen sich per Nanotechnologie funktionalisierte Baustoffoberflächen verorten, die den Abbau von Schadstoffen in der Luft ermöglichen und selbstreinigende oder wärmeregulierende Effekte aufweisen.
  • Bei der Herstellung von Kunststoffen erreicht der Eintrag von Additiven eine verbesserte Fließfähigkeit. Auf diese Weise kann in Produktionsprozessen, z. B. beim Spritzguss, dank geringerer Verarbeitungstemperaturen Energie eingespart werden.

Leichtbau bringt Ressourcen- und Energieeffizienz

Auf den Einsatz von Leichtbaustrukturen stößt man in vielen Branchen und zahlreichen Anwendungsbereichen. Es gilt, bei der Herstellung von Produkten, Baugruppen oder Komponenten so viel Gewicht einzusparen, wie es nur geht. Gleichzeitig sollen spezielle Erzeugnisse unterschiedliche Merkmale erfüllen und neuartige Funktionen aufweisen, darüber hinaus äußerst stabil und langlebig sein. Die Betrachtung von Lebenszyklen, Abbau- oder Recycelbarkeit ist mit der Entwicklung neuer Materialien fest verknüpft.

Grundsätzlich stehen Leichtbau-Lösungen für die Optimierung der Ressourcen- und Energieeffizienz. Mit dem Einsatz von leichten Baugruppen ergibt sich zum einen ein reduzierter Materialeinsatz und damit einhergehende Einsparungen in der Logistik und beim Transport. Zum anderen werden durch die Nutzung neuartiger Baugruppen, Fahrzeuge oder Transporteinheiten

  • Gewicht eingespart,
  • Energieverbräuche reduziert
  • und Nutzungszyklen verlängert.

Dem sogenannten „Multimaterial-Leichtbau“ wird bis 2030 ein möglicher Jahresumsatz im 3-stelligen Milliardenbereich zugesprochen. Fachmedien und -messen bieten dem komplexen Thema „Leichtbau“ eine Plattform für den Wissenstransfer und Kontaktaufbau. Neben der Schaffung neuer Materialien mit geringem Gewicht und revolutionären Funktionen, geht es auch hier um die Optimierung und Erforschung der Herstellungsverfahren.

Materialinnovationen zur Marktreife bringen

Die moderne Welt fordert uns alle. Die Fragen der angestrebten Klimaneutralität und der wachsenden Bevölkerung lassen die Aufgabenstellungen anspruchsvoller und komplexer werden. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, zwingen die Entwickelnden dazu, völlig neu zu denken und teilweise ungeahnte Wege zu beschreiten – zu neuen Materialien, die unsere Zukunft nachhaltiger, sicherer und lebenswerter machen.

Allerdings ist am Ende ausschlaggebend für die Durchsetzung dieser Forschungsarbeit, ob für die industrielle Nutzung einer Neuheit Ressourcen in ausreichendem Umfang vorhanden sind und ein Projekt zu akzeptablen Kosten umgesetzt werden kann. Nicht ohne Grund existieren zahlreiche Förderprogramme und Kooperationsinitiativen, um Hersteller, Forscher und Investoren an einen Tisch zu bringen. Denn führende Köpfe sind sich darüber einig, dass es nur mit vereinten Kräften gelingen kann, neue Materialien in den Märkten zu etablieren.

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